2. Therapie des Problems „Innerer Schweinehund“
In den gängigen Ratgebern zum Schweinehundproblem wird das Problem als ein unkontrolliert triebhaftes verstanden. Es ginge um „Trägheit, Bequemlichkeit und Rastlosigkeit“. Dagegen wird dann versucht, das ICH als Kapitän im eigenen Haus gegen das Triebhafte und das Schuldhafte zu stärken, indem man „einen Vertrag mit sich selbst schließen soll“ und „sich seine eigene Motivationssprache“ schaffen solle.
Dagegen ist einerseits natürlich nichts einzuwenden, wenn nicht die ganzen Ratschläge von „achte auf deine Gedanken“ und „setze realistische Ziele“ genauso kontrolliert wie langweilig und lustfrei klingen.

Schwarzer Leopard aus dem Out of Africa Wildlife Park in Camp Verde, Arizona, USA. https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Blackleopard.JPG
Einzig der Rat einer Fitnesscoachin, sein Ziel „mit Leidenschaft“ zu verfolgen verweist auch auf eine andere emotionale Dynamik, das Problem anzugehen.
In Teil eins habe ich versucht aufzuzeigen, dass die Überwindung des Schweinhundproblems insofern falsch ausgelegt wurde, als ginge es darum, sich gleichzeitig zu motivieren und sich vom Triebhaften zu distanzieren. Ich soll mich also irgendwie quälen, aber das reizvolle, spannende, natürlich auch durchaus gefährliche an der Jagd dem Schweinehund überlassen. Je mehr Kontrolle wir einfordern, um so mehr entfernen wir uns aber vom aggressiven Spaßfaktor des Jagens. Es geht in diesem Sinne eben nicht darum, brav seine Aufgaben zu erfüllen und abzunehmen und was für die Gesundheit zu tun. Sondern es geht darum, gesund-eigensinnige Visionen zu verfolgen. Warum will ich abnehmen? Dass man mich nicht immer so mitleidig angeguckt? Sicherlich. Aber Pfeffer bekommt die Motivation doch dann erst, wenn ich sage, dass ich den Kopf auf der Straße hochtragen will und allen, die mir blöd kommen, in den Hintern treten möchte. Damit wird das Vorhaben natürlich auch unbequem für die Umwelt, ich beginne meinen Weg zu gehen und mich aus sozialen Zwängen zu befreien. Es muss ein gewisses Jagdfieber entstehen, mit eigener Händen Kraft die Sau zu jagen. Sonst erstirbt jede gut gemeinte Motivationsstruktur in inhaltsleerer Anpassung.
Und sicherlich liegt hier eine der entscheidensten Hürden, indem ich den Neinsagern und Runterziehern in mir und im Umfeld widerstehen muss. Ich werde ein paar Alltagsregeln brechen müssen und verstärkt lernen, auf mich selbst zu hören, ohne egozentrisch zu werden. Es geht also zusammengefasst darum, eine coole Sau zu werden.
Die 6 Motivationsregeln eines Muli-Erfolgreichen Menschen wie Arnold Schwarzenegger mögen das Vorhergesagte zum Schluss noch einmal – wenn auch recht amerikanisch – illustrieren: https://www.youtube.com/watch?v=EyhOmBPtGNM
1. Trust Yourself
2. Break some Rules
3. Don´t be afraid to fail
4. Ingnore the Naysayers
5. Work like hell
6. Give something back
Psychologie des Inneren Schweinehundes
1. Wer bist du, Innerer Schweinehund?

Künstlerische Darstellung Mein innerer Schweinehund, Bonn, des dänischen Bildhauers Jens Galschiøt, 1993
By Norbert Schnitzler (Own work) via Wikimedia Commons
Der Begriff des Schweinehundes geht auf die zur Wildschweinjagd abgerichteten und gezüchteten Hunde (Sauhunde) zurück mit so freundlichen Rassebezeichnungen wie „Bullenbeißer“, „Pommerscher Saurüde“ oder „Dänischer Blendling“. Viele dieser Rassen gibt es heute nicht mehr, noch existierende Nachfahren sind z.B. die Deutsche Dogge oder der Dogo Argentino. Diese Hundebezeichnungen haben einerseits eine deutliche aggressive Note, andererseits agiert der Sauhund aber auch im Dienste des Menschen. Diese Gegensätzlichkeit von gleichzeitigem aggressiv gegen etwas sein und einem sich ein- oder unterordnen zeichnet auch unser Schweinehundproblem aus. Denn ich muss mich schon aggressiv gegen die Wohnzimmercouch richten, um mein Fitnessprogramm durchzuziehen, ich muss mich aktiv gegen den Griff in die Süßigkeitentüte wehren, um meine Ernährung auf gesündere Füße zu stellen. Ich muss aber genauso lernen, wann es Zeit für die Wildschweinjagd ist und wann die Zeit für die Gemütlichkeit vor dem Kaminfeuer, den Sauhund eingerollt neben mir liegend.
Sauhund ist übrigens ein vor allem in Süddeutschland gebräuchliches Schimpfwort, um gleichzeitig Anerkennung für eine bestimmte Tat zu zollen, und andererseits aber auch ihre moralische Zweifelhaftigkeit zum Ausdruck zu bringen. Also auch hier stoßen wir auf eine Gegenläufigkeit, die unlösbar zueinander gehören scheint.
Beschäftigt man sich weiter mit dem Schweinehund, den man zu überwinden habe, um das Bessere zu tun, obwohl das Schlechtere einen stärker anzieht, so landet man flugs bei den alten griechischen Philosophen wie Aristoteles, Sokrates etc., die diesem menschlichen Problem den Begriff Akrasia verpasst haben und darüber trefflich diskutierten. Ergo ist das Schweinhundproblem keine Zivilisationskrankheit von uns Verwöhnten des 21.Jhd´s, sondern es ist seit alters her ein seelisches Grundthema. Verfolgt man die Quellen weiter, so ergibt sich die These, dass das Problem so alt ist wie der – im prähistorischen Sinne – Moderne Mensch sein mag.
Es scheint nämlich, dass das Problem an dieser Stelle in der Menschheitsentwicklung seinen Ursprung hat, wo der Mensch vor 35-40Td Jahren verstärkt begann, in die Umwelt einzugreifen. Und wo er auch begann, den Hund zu unterwerfen, respektive sich ihn zum treuen Begleiter zu machen, was frühe Grabfunde beweisen. Also zu der Zeit, wo man annehmen kann, dass bewusstes und gezieltes Verhalten die Instinktsteuerung entscheidend abzulösen begann. Mensch war nicht mehr gezwungen, das instinktmäßig einzig Richtige zu tun, sondern begann in sich Wahlmöglichkeit und Entscheidungshoheit zu erleben. Die Lust dazu, tun und lassen zu können, entstand. Das Pendeln zwischen Existenznotwendigkeiten und Wahlfreiheit stellte der Seele eine neue, grundsätzliche Herausforderung, bis zum heutigen Tag. Der Mensch entwickelte Instrument um Instrument als Mittel zum Zweck, so richtete er den Hund ab, um das Wild zu stellen. Als Herr über die Mittel kann der Mensch sein Größengefühl genießen, entbehrt jedoch das Gefühl, selbst und aus eigener Kraft das Schwein zu erlegen. Der Grundinstinkt wurde auf´s Tier übertragen, der Mensch behielt das Machtgefühl.
Somit bezeichnet der Innere Schweinehund das Mittel (hier der Sauhund), welches wir in unserer Freiheit der Entscheidung eingesetzt haben, um eigene Zwecke zu erfüllen. Dies entlastet und spart Anstrengung. Den Schweinehund zu überwinden heißt demnach, auf ein vermeintliches Stück Freiheit und das damit verbundene Mittel zu verzichten. Gleichsam vom hohen Roß heruntersteigen, um selbst wie ein Sauhund das Wildschwein zu jagen.