DIE VERDREHTE DIDAKTIK DER RADIKALEN
Natürlich schreibe ich diesen Artikel wegen des rechtsradikalen Großbrandes anlässlich der Geschehnisse in Chemnitz. Aber gleichermaßen beziehe ich alle radikalen Strömungen mit ein, linke wie z.B. auch religiöse.
Ich meinem Sportstudium auf Lehramt haben wir bezüglich der Didaktik gelernt, dass die didaktische Methodik sich nach drei Prinzipien richten möge:
- vom Einfachen zum Komplexen
- vom Leichten zum Schweren
- vom Bekannten zum Unbekannten
Dahinter stehen die Bereitschaft, die Motivation und auch der gesunde Entwicklungsimpuls tiefer einzutauchen in die technischen Finessen von zielgerichteten Bewegungsabläufen. Man muss sich Erfolg und Misserfolg stellen, reflektieren, üben, lernen, ausprobieren, um die Komplexität zu beherrschen.
Ist die Motivation eingeschränkt, ist natürlich auch der Bewegungserfolg eingeschränkt. Für Hobbysportler ganz normal, da die Zielsetzung eben ist, einen schönen Bewegungsausgleich zum Alltag zu haben. Man richtet sich dabei so ein, dass man sich mit einer subjektiven Bewegungsgüte abfindet, man hat ja genug Stress in Beruf und Familie.
Dennoch gibt es eine gewisse Auseinandersetzung mit der Tücke der Bewegung, eine gewisse Reflexion und Einsicht, ein bisschen was will man schon lernen.
Ist diese Motivation gar nicht da, wird jeglicher Entwicklungsreiz als Stress empfunden, ist Angst vor Scheitern vorhanden, wird die Bereitschaft zur Reflexion als überfordernd erlebt, so entsteht dann die Suche nach Einfachem, Leichtem und Bekannten. Normalpsychologisch nennen wir das die Qual der Wahl. So weit so gut.
Übertragen wir das nun auf die Dynamik radikaler Strömungen. Wenn das Ringen um Entwicklung nicht gelingt, Erfolge ausbleiben, Frustrationen entstehen, Gelegenheiten nicht gegeben oder gar genommen werden, dann drohen sich die methodischen Lern-Prinzipien umzudrehen:
- vom Schweren zum Leichten
- vom Unbekannten zum Bekannnten
- vom Komplexen zum Einfachen
Das Heil wird aus der Not in einem einfachen Koordinatenkreuz gesucht, mit dem die Welt rechtwinklig erklärt werden soll. Dadurch soll endlich Ruhe herrschen vor der überfordernden Komplexität, dem anstrengenden Schweren und dem beängstigenden Unbekannten.
Bei dieser Heilssuche im Einfachen und vermeintlich Klaren agieren die Rechten etwas anders wie die Linken und die Religiösen. Bei den Rechten kommt die Hierarchieebene als weiteres beruhigendes Element hinzu. Verantwortung wird strikt nach oben abgegeben, Meinung wird vereinheitlicht, Führung wird autoritär und lenkend, weil auch so gewünscht. So treten die Rechten geschlossen und vereinheitlicht auf, gemeinsam aggressiv kämpfend für die rechtwinklige Ordnung. Sobald sie anfangen würden zu diskutieren, müssten sie ihre Haltung aufweichen, ergo wird die Führung gestrafft. Die Diskussionen der Rechten sind dann entsprechend gegenseitige Beteuerungen, Anfeuerungen, Zementierungen.
Die Linken suchen die umfassende Gleichberechtigung. Eher wird Führung negiert, dadurch entstehen Zersplitterungen und viele Koordinatenkreuze, wie wir jetzt mit der Sammlungsbewegung von Sara Wagenknecht erleben. So haben wir Die Linke, die Sammlungsbewegung, die SPD, die Linken bei den Grünen und so fort. Das ein oder andere Koordinatenkreuz extremisiert sich dann jedoch, da es nicht mehr um alles immer und immer wieder diskutieren möchte, und beginnt aggressiv zu agieren. Sobald sie anfangen mehr Führung aufzubauen, droht sich ihr Inhalt zu pervertieren, ergo kommt es zu Abspaltungen. Die Diskussionsqualität der Linken ist dann eher persönlich, endlos, zermürbend.
Bei den religiösen Radikalen haben wir es mit der Projektion an eine höhere Macht zu tun, deren höchst fleischliche Vertreter die einfache Lebensordnung vorschreiben und mit tiefgreifenden Schulddynamiken absichern. Begänne man hier, die Subjektivität zu betonen, drohte die Ordnung zu zerbrechen, ergo wird sehr aggressiv der Einhalt der vorgegebenen Lebensunterordnung eingefordert.
Gleichzeitig wird im Radikalen natürlich nicht nur das beschützende und versorgende Einfache gesucht, sondern auch das Komplexe aggressiv abgewehrt. Man will – auf ein Bild gebracht – den Schnee nur noch als eine weiße Fläche sehen und wehrt ab, dass keine Schneeflocke der anderen gleicht und die Physik von Schnee ausgesprochen lebendig und komplex ist.
Angewandt auf die aktuelle Problematik könnte dann die Entwicklungsmethodik folgende Aufgaben zum Ziel haben:
- vom Einfachen zum Komplexen: Behandlung des destruktiv-aggressiven Tons, dann Diskussion zu den Inhalten
- vom Leichten zum Schweren: Aufnahme der sehr präsenten Gefühle und Überführung in Arbeitsaufträge und Projekte
- vom Bekannten zum Unbekannten: aus der Sicherheit des Kreuzfahrtschiffes befähigen, sich auf andere Lebens- und Erlebenswelten einzulassen.
Jeder von uns ist eben eine Schneeflocke wie sonst keine, somit haben wir nahezu die Verpflichtung weiter für die Vielfalt in der Einheit zu ringen, so anstrengend es auch ist, immer wieder gute und verlässliche Formen zu entwickeln.