PRINZIP HOFFNUNG – EIN GEFÄHRLICHES GUT
Rund um das Ausscheiden der Fußballnationalmannschaft konnte man oft das Wort `Hoffnung´ vernehmen. Hoffen, dass nach schlechten Vorbereitungsspielen die Mannschaft wieder zündet, wenn es darauf ankommt. Hoffen, dass die arrivierten Spieler schon Verantwortung übernehmen, hoffen, dass es mit den Stars noch besser wird als beim Confed-Cup, und und und.
Entsprechend hartnäckig erweist sich das Prinzip Hoffnung auch in den therapeutischen Behandlungen. Hoffen, dass der Partner sich doch noch zum Guten dreht, dass die garstige Mutter sich endlich zu einer lieben Mama wandelt, dass der Papa doch endlich was an seiner Alkoholsucht tut, dass der cholerische Chef sich ab morgen auf einen kollegialen Umgangston besinnt.
Es wird am Prinzip Hoffnung festgehalten, auch wenn die Umwelt schon längst sagt, lass die Finger davon, trenn´ dich, pass auf, das geht schief und so weiter.
Nun ist es von außen immer leicht, zu warnen, weil man selbst ja nicht die tragweite Entscheidung treffen muss, der Außenstehende nicht in der Verantwortung steht, und nicht eingeflochten ist in ein komplexes Beziehungsgeflecht.
Dennoch, es gibt einen sehr hartnäckigen Widerstand die Hoffnung aufzugeben, das Scheitern einzusehen, und loszulassen, sich zu trennen und einen Neubeginn zu wagen.
Denn die Hoffnung aufgeben und die Realität anzuerkennen heißt gleichzeitig ja auch das Scheitern anzuerkennen und etwas aufgeben müssen, an dem man lange festgehalten hat. Sich dadurch auf einen Trauerprozess einlassen müssen und auch den letzten Rest an Ungewissheit ob der Richtigkeit der Entscheidung aushalten müssen. Niemand kann ja sagen, ob die Zukunft die Entscheidung bestätigt, ob man es bereut, ob man nur nicht lange genug gekämpft hat.
Nur bei allem ist das entscheidende Momentum in dieser Dynamik vermeiden zu wollen, die ´Schuld` der Trennung zu übernehmen, und sich auf die unangenehmen Gefühle eines Trauerprozesses einzulassen.
Denn das Prinzip Hoffnung ist ja nur so lange ein Gut, so lange die Hoffnungsträger die Erwartungen erfüllen. Ist das nachhaltig nicht mehr der Fall, wird das Prinzip Hoffnung zu einem Schlecht. Je länger man dann dran festhält, um so schädigender wird es dann.
Der Inhaber der Hoffnung wird von der Realität eingeholt und muss sich von einer lieb gewordenen Vorstellung lösen, muss sich teils auch von lieb gewordenen Personen lösen, muss sich von lieb gedachten Menschen lösen. Das tut weh, ist kein leichter Prozess, auch weil die Zukunft ungewiss ist.
In der Erfüllung unserer Hoffnung sehen wir ja schließlich auch die Bestätigung unseres Egos, so wird also die Einsicht ob des Scheitern auch zu einer persönlichen Niederlage, zu einer teilweise tiefen Kränkung des Selbst.
Das alles zu meistern ist nicht ohne, verlangt gute Freunde, Halt und Mut. Übertragen heißt das auf Jogi Löw: wie kann der bisher unumstrittene und nur als erfolgreich erlebte Trainer nun auch als gescheiterter Trainer weitermachen? Jeder Arbeitslose kennt dieses Gefühl bei Vorstellungsgesprächen, selbst wenn man unverschuldet etwa durch Firmenpleiten in die Arbeitslosigkeit gerutscht ist. Denn aus dem Widerstand gegen die unangenehmen Gefühle des notwendigen Trauerprozesses und Neuschaffensprozesses wird erwartet, dass aus der alten verbrannten Hoffnungsasche direkt ein neuer Phönix aufsteigt. Der schmerzhafte Wandlungsprozess soll direkt übersprungen werden. Dabei liegt gerade hier die Chance für neue Selbstachtung und gesunden Respekt.
In der zurück liegenden jüngsten Zeit der Nationalmannschaft hat man also nicht einsehen wollen, dass die Arrivierten müde sind, und dass der Kern und auch der Geist einer neuen Nationalmannschaft wahrscheinlich, und das auch unerwartet und ´zufällig´, im Confed-Cup geboren war. Und dass es möglicherweise realistischer gewesen wäre, dies anzuerkennen und die Arrivierten vorsichtig dazu zu ergänzen gewesen wären. So ist vielleicht auch die Wut eines Sandro Wagner anlässlich seiner Nicht-Berücksichtigung u.a. zu erklären. Man erwartet, dass mit Beginn der WM ein neuer Phönix aufsteigt, dabei war die Hoffnung längst von der Realität überholt.
Sei es drum, nun liegt es an uns, entweder im Sinne ´was nicht sein kann, was nicht sein darf` Jogi Löw zu einem Abschied zu bewegen. Oder Solidarität im Sinne auch unserer eigenen Scheitererfahrungen zu zeigen und ihm eine weitere Arbeit als gefallener Mensch erst einmal unabhängig von fußballsportlichen Erwägungen zu ermöglichen. Schließlich verwerfen wir die Liebe zu einem Partner ja auch nicht, weil dieser einmal verlassen wurde oder verlassen hat.
Fazit: Drum prüfe, wer sich hoffnungsvoll bindet, immer wieder, ob die Wirklichkeit die Hoffnung noch trägt.