Zur 1Live Themenwoche Depression
Depression ist einfach gesagt erst einmal die Unterdrückung bzw. der erlebte Verlust schöpferischer, gestaltender, zuversichtlicher und zugreifender Impulse zugunsten von trauernden, misstrauischen, pessimistischen und Verlassenheits-Gefühlen. Depression beschreibt im ersten Zugriff einen Symptomkomplex von Lust- und Antriebslosigkeit, Hoffnungslosigkeit und dem Verlust des Glaubens an sich selbst.
Der dynamische Entstehungshintergrund ist ein vielfältiger, jedoch andererseits sind bestimmte strukturelle Merkmale typisch. Zudem lassen sich depressive Entwicklungen noch grob in 2 Klassen unterteilen. Die eine ist eine biografisch erworbene Grunddepressivität aufgrund der entsprechenden Gedeihbedingungen des Individuums. Die andere Klasse sind depressive Reaktionen auf akut negativ erlebte Lebensumstände.
Grundsätzlich lässt sich ein Kontinuum beschreiben von kleiner Frustration am einen Pol und suicidaler Depressivität am anderen Pol. An dieser Stelle kann schon mal gesagt werden, dass die Menschen, die mutig und selbstbewusst mit Frustrationen und Enttäuschungen oder gar Schicksalsschlägen umgehen können am gewappnetsten sind vor dem Einbruch einer depressiven Entwicklung. Gleichzeitig jedoch sind uns allen normalpsychologische und reversible depressive Phasen bekannt, dann benennt man es aber eher Enttäuschung, Trauer oder z.B. auch Liebeskummer. Diese Gefühlsreaktionen auf Lebensereignisse lösen sich dann jedoch teils nach ein paar Wochen wieder auf, ggf. bleibt eine kleine Narbe auf der Seele.
Was jetzt schon deutlich wird, Kern der Depression ist ein Verlusterleben. Dabei handelt es sich nicht unbedingt um Verluste nahestehender Personen, sondern um Verlust oder dauerhaftes Versagen von Bindungswünschen, Hoffnungen, Nähebedürfnissen. So wird das Kind z.B. vom alkoholkranken Elternteil in seinem Nähewunsch dauerhaft frustriert oder enttäuscht, weil das Elternteil im Rausch unerreichbar verloren ist. Ein kalter, homophober Vater enttäuscht den sensiblen Nähewunsch des Sohnes und überfrachtet diesen mit martialisch-männlichen Ansprüchen. Die sich verstärkt in den Mittelpunkt inszenierende Mutter enttäuscht auf Dauer das Kind dahingehend, dass es keine Bedürfnisse mehr anmeldet, sondern sich traurig verkriecht.
Je nach ausgleichenden Faktoren, tragfähigen Beziehungen zu anderen Menschen, zu Hobbies, Freundeskreis, oft die Großeltern, Entwicklung von Stärken kann die depressive Grundstimmung stärker oder milder sich ausgestalten.
Oft ist Depressivität jedoch auch ein Ausdruck eines labilen und unsicheren, stark zweifelnden Selbstwertgerüstes. Dies kann biografisch erworben sein, oder durch `Burn-Out`-Situationen ausgelöst werden, in denen die Person sich stark angegriffen, nutz- und wertlos erlebt. In diesen Fällen ist verstärkt das gesamte Grundfundament der Seele unsicher und droht regelmäßig einzustürzen, entsprechend langfristig müssen hier Therapieansätze arbeiten, um stabile Bindungsfiguren wieder herstellen zu können.
Ich hoffe es wird deutlich, dass für den depressiv fühlenden Menschen von uns bewertete Kleinigkeiten als riesengroße, schier unüberwindlich wirkende Belastungen erlebt werden können. Entsprechend einfühlsam sollten wir uns verhalten. Andererseits hat der betroffene Mensch die Aufgabe verstärkt Bindung aufzunehmen, aktiv zu pflegen und zu entwickeln, um aus dem Dilemma hinauszukommen. Dies braucht natürlich ein Sicherheitsgerüst, denn die Angst vor ´so oft erlebter´ Frustration hemmt logischerweise.
Teilweise erleben wir im Umgang mit Betroffenen manchmal eine merkwürdige Aggressivität. In dem Falle fühlen wir die Wut, die der Betroffene in seinem Leben unterdrückt hat bzw. gegen sich selbst richtet in seinem Gefühl von Zuversichtslosigkeit.
Zum Schluss sei noch gesagt, dass als Faustregel im Umgang mit Depressivität für den Betroffenen wie für die Umgebung ein angemessenes Gemisch von Verständnis und Schubsern sinnvoll erscheint.
Und – aufgrund meiner zahlreichen Akutcoachings weiß ich das – gemeinsam Lachen erhellt die Stimmung zumindest punktuell.