Corona und die Gefahrenwahrnehmung
Nun sitze ich, subjektiv gesund, in Quarantäne und warte auf mein Testergebnis. Schuld daran ist Ischgl, wo ich noch nicht mal selbst war.
Im Zuge der eigenen Klärung meiner Lage sind mir Dinge aufgefallen, die ureigenst das Psychologische betreffen vor allem auf dem Gebiet der Wahrnehmung einer Gefahr und deren Gefahrenabwendung.
Ehrlich gesagt habe ich in mir auch eine verzögerte innere Registrierung der tatsächlichen Gefahr festgestellt, bis ich gehandelt und geklärt habe. Das was ich bei mir im Kleinen festgestellt habe, mussten wir in den letzten Tagen im Großen auch bei den Entscheidungsträgern feststellen. Es kommen hier sicherlich einige Faktoren zusammen, die die Gefahr verspätet wahrnehmen und zu Handlungen führen lässt. Aber ich möchte zwei Faktoren herausstellen. Der eine ist ein einfaches Wahrnehmungsproblem. Der Virus steht eben nicht mit gefletschten Zähnen, gezückten Krallen und sprungbereit deutlich sichtbar vor uns. In diesem Falle gäbe es kein Nachdenken und allein unsere Instinkte würden uns zur Flucht treiben. Der zweite Faktor ist die Hemmmung, sich durch vorschnelle Entscheidungen unbeliebt zu machen. Aber das Unsichtbare, Nicht Fassbare, irgendwie weit weg Scheinende führt uns in eine Strukturschwäche unserer Gefahrenabwehr. Wir spielen dann ein wenig verstecken wie kleine Kinder: Hände vor die Augen, alles weg.
Um diese Strukturschwächen äußeren Halt und Rahmen zu geben, haben wir eigentlich Funktionäre und Politiker gewählt, die sich was trauen. Und denen wir zubilligen, aufgrund einer umfassenderen Informationsquelle Gefahrenlagen viel besser beurteilen zu können als wir in unseren kleinen Lebensbereichen. Leider aber handeln die Entscheidungsträger genauso zeitverzögert wie der einzelne Bürger und es zeigen sich Strukturschwächen, die Bruchstellen erzeugen, welche die Gefahr nur noch erhöhen.
Konkret heißt das, dass man sich als möglicher Betroffener gar nicht so einfach testen lassen kann. Dass man zudem gar nicht weiß wo. Man wird zwischen Bürgertelefon und überlasteten Diensten hin und her geschoben, bis man selbst handelt, vielleicht auch ein wenig schwindelt, um eine Antwort zu erzeugen. Es kann doch nicht sein, dass man sich erst mal im Bekanntenkreis informieren muss, wo man gestetet werden kann, so als ob man wissen möchte, wo man das beste Rumpsteak bekommt.
Das Entscheidende jetzt ist doch Gewissheit, nur mit ihr kann ich zielgerichtetes Handeln ableiten. Und Gewissheit kriege ich über Testung. Und diese wird nicht rigoros umgesetzt. Anstelle dessen vergeht Zeit, die die Gefahr nur zu vergrößern droht. Diese Gewissheit ist der Nadelkopf, auf dem alles ausgependelt wird. Und es ist dringend geboten aus diesem Nagelkopf ein breites Brett zu machen, auf dem man rasch Standfestigkeit erlangen kann.
Eine konkrete Maßnahme wäre z.B., MedizinstudentInnen zu aktivieren und den Gesundheitsdiensten zur Verfügung zu stellen. Befugnisse können per Ausnahmeregelung getroffen werden. Virus haben oder nicht ist ja nun i.d.R. nicht mit besonderen Schamgefühlen verbunden. Außerdem geht’s hier ums Gemeinwohl, dieses steht – außer bei Trump – über dem Einzelwohl. Wir brauchen mobile Teststellen, die leicht erreichbar sind und im Grunde jeden testen, der nur im Entferntesten zu einer Risikogruppe gehört, lieber einer mehr als zu wenig.
Grundsätzlich geht es psychologisch darum, die entscheidenden Schnittstellen eines Gefahrenprozesses zu analysieren und sie auf ein Mindestmaß zu reduzieren, um unsere innere Strukturschwäche durch ein äußeres Haltegerüst auszugleichen. Jetzt muss gehandelt werden, die Aufarbeitung muss danach erfolgen.
Stay healthy